Mehrgenerationentheater geht neue Wege in der Quartiersarbeit und stärkt Nachbarschaft. Am 29. November 2014 feierte das Theaterstück „Die Nashörner“ als Projekt mehrerer Generationen seine Premiere im Seniorennetzwerk Niehl in der Pohlmannstraße 13.
Pate bei der Projektentwicklung stand die gleichnamige Erzählung „Die Nashörner“ von Eugène Ionesco, der daraus später selbst sein berühmtes Theaterstück kreierte. Unter Leitung der bildenden Künstlerin Sandy Craus sowie des Schauspielers und Theaterpädagogen Kleber Valim erarbeitete eine altersgemischte Gruppe das Stück: zum einen Bewohner des Niehler Mehrgenerationenhauses Ledo, ihre Nachbarn und Mitwirkende des Seniorennetzwerkes Niehl, zum anderen Achtklässler des nahegelegenen Erich-Kästner-Gymnasiums (EKG).
Die ursprüngliche Erzählung gab jedoch nur den Impuls, gezeigt wird eine ganz andere Geschichte; das Nashorn als solches ist nur noch ein Bild für Andersartigkeit und grobes Auftreten. Die Themen des Stückes, das im Hier und Heute angesiedelt ist, sind Einsamkeit, Isolation, Identitätssuche, Überwältigung, Verständigungsprobleme und Enttäuschung. Die Mehrgenerationen-Theatergruppe zeigt die Geschichte als Rückblick und bespielt den Aufführungsraum im Seniorennetzwerk in Gänze.
„Die beteiligten Schüler gehen der Frage nach, die das Theaterstück am Ende aufwirft“, so Projektleiterin Sandy Craus. „Was macht derjenige, der – nachdem sich alle verwandelt haben – als einziger Mensch unter ‚Nashörnern‘ übrig bleibt?“
Die Gymnasiasten, die als Chor auftreten und Bewegungstheater machen, schrieben ihre Texte im Rahmen eines Literaturkurses an der Schule selbst. Die Gruppe aus Ledo-Bewohnern und Nachbarn übte Rollenarbeit, Improvisation sowie Techniken, wie man eine Figur selbst erfindet. Ein Teil des Stückes spielt in der Arbeitswelt Büro.
„Im Berufsalltag erlebe ich oft, wie Menschen, die nicht nach ‚Schema F‘ funktionieren, an den Rand gedrängt werden“, erklärt Darstellerin Bärbel von der Linde. „Mich beschäftigt dabei die Frage: Wie viel Eigenheiten erlaube ich mir, um nicht zur Außenseiterin zu werden?“
„Dank dieses Theaterprojekts setze ich mich spielerisch mit Themen auseinander, die mich tief bewegen, ohne sie im Worte fassen zu müssen“, ergänzt Mitspielerin Ellen Unverzagt. „Es hilft mir, die Übergangsphase vom Berufsleben zur Rentnerin aktiv zu gestalten.“
Beide Schauspielgruppen probten zwei Monate getrennt, bevor – vier Wochen vor der Premiere – die sogenannten Zusammenführungsproben begannen. „Die Zusammenarbeit mit beiden Gruppen macht uns viel Freude“, erklärt Theaterpädagoge Kleber Valim. „Uns liegt viel an dem Entwicklungsprozess, dessen Ergebnis wir zur Stückpremiere zeigen. Die Aufführung ist daher nicht nur als ein fertiges Produkt zu verstehen.“